Baumfällkosten – Betriebskosten

In der mietrechtlichen Rechtsprechung war bislang umstritten, ob Baumfällkosten als Betriebskosten der Mietsache auf den Mieter umgelegt werden können oder letztlich vom Vermieter zu tragen sind. Der Bundesgerichtshof hat nun in einem Urteil vom 10.11.2021 (Aktenzeichen: VIII ZR 107/29) entschieden, dass die Kosten für das Fällen eines morschen, nicht mehr hinreichend standfesten, Baumes regelmäßig auf den Mieter umgelegt werden können.

Was die Umlage von Betriebskosten angeht, wird in Mietverträgen meist auf die Regelungen der Betriebskostenvereinbarung Bezug genommen. Baumfällkosten als Betriebskosten fallen unter § 2 Nummer 10 der Betriebskostenverordnung:

„§ 2 Aufstellung der Betriebskosten
Betriebskosten im Sinn von § 1 sind:
1. …

10. die Kosten der Gartenpflege,
hierzu gehören die Kosten der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen einschließlich der Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen, …
… „

Nicht auf den Mieter umgelegt werden dürfen nach § 1 Absatz 2 Nummer 2 Betriebskostenverordnung Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung der Mietsache.

Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass Baumfällkosten, die bei der Entfernung eines nicht mehr standfesten Baumes anfallen, keine Instandhaltungskosten sondern umlagefähige Betriebskosten im Sinn der Betriebskostenverordnung sind. Auch wenn die Entfernung von Pflanzen nicht ausdrücklich in der entsprechenden Regelung der Betriebskostenverordnung genannt sei, handele es sich um einen Teil der allgemeinen Gartenpflege. Das Absterben eines Baumes stelle als solches keinen Mangel des Mietobjekts dar, den der Vermieter aufgrund seiner Instandhaltungspflicht auf eigene Kosten beseitigen müsse. Die Kosten könnten auch dann auf den Mietr umgelegt werden, wenn der Vermieter im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht ohnehin aus haftungsrechtlichen Gründen zur Entfernung des betreffenden Baumes verpflichtet sei.

Der Anfall von Baumfällkosten sei für den Mieter, der die mit Bäumen ausgestattete Gartenanlage nutzen und damit vom entsprechenden Wohnwert profitieren könne, bei vernünftiger Betrachtung durchaus vorhersehbar. Dem Mieter müsse bewusst sein, dass bei der Pflege solcher Anlagen der Höhe nach schwankende, nicht unerheblich Kosten anfallen könnten. Es sei unvermeidlich, dass in Gartenanlagen vorhandene Bäume von Zeit zu Zeit aus unterschiedlichne Gründen gefällt werden müssten. Wenn die Kosten im Einzefall tatsächlich ungewöhnlich hoch ausfallen sollten, könne der Mieter möglicherweise einen Anspruch darauf haben, dass sie auf mehrere Abrechnungszeiträume verteilt würden.


Allgemein zur Betriebskostenumlage

Mietrückstände – Kündigung – Nachzahlung

Wenn wegen Mietrückständen die Kündigung des Mietvertrags ausgesprochen wird, hat der Mieter nach § 569 Absatz 3 Nummer 2 BGB die Möglichkeit die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung durch eine Nachzahlung herbeizuführen. Wenn alle Mietrückstände durch Nachzahlung innerhalb von zwei Monaten nach Erhebung der Räumungsklage ausgeglichen sind, wird die fristlose Kündigung unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedeutet das jedoch in vielen Fällen nicht, dass das Mietverhältnis erhalten bleibt und der Mieter in der Wohnung bleiben kann. In der Regel wird der Vermieter, jedenfalls soweit er rechtlich beraten ist, zusammen mit der fristlosen Kündigung (hilfsweise) eine ordentliche Kündigung aussprechen, die sich zwar auf genau denselben Mietrückstand stützt, aber einen eigenen Kündigungstatbestand darstellt.

Diese hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wird nach der gesetzlichen Regelung durch die auf die Nachzahlung der Mietrückstände nicht unwirksam. Obwohl dieses Ergebnis nur schwer einleuchtet, hat der Bundesgerichtshof seine entsprechende Rechtsprechung in einem Urteil vom 13.10.2021 (Aktenzeichen: VIII ZR 91/20) entgegen der Auffassung der Vorinstanz (Landgericht Berlin, Urteil vom 30.3.2020; Aktenzeichen: 66 S 293/19) noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Die Gerichte müssten sich an die gesetzlichen Vorgaben halten, auch wenn dies in Teilen zu Ergebnissen führe, die den „rechtspolitischen Vorstellungen“ der mit der Sache befassten Richter nicht entsprächen.

Es sei Sache des Gesetzgebers, die auf manche widersprüchlich erscheinende Rechtslage zu ändern. Wenn das über Jahrzehnte hinweg nicht geschehen sei, müssten die Gerichte den dadurch zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers akzeptieren und ihren Entscheidungen zugrunde legen.

In Fällen, in denen neben der fristlosen Kündigung hilfsweise auch eine ordentliche Kündigung wegen Mietrückständen ausgesprochen wurde, bedeutet das in der Regel, dass der Mieter nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 573c BGB) ausziehen muss, auch wenn er die Mietrückstände innerhalb der gesetzlichen Schonfrist nachgezahlt hat. Nur in Ausnahmekonstellationen wird dem Mieter der Nachweis gelingen, dass es ohne sein Verschulden zu den Mietrücktsänden gekommen ist – zum Beispiel wegen unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder weil er sich in einem unverschuldeten Rechtsirrtum über das Bestehen seiner Zahlungspflicht befand.

Für Mietrückstände, die im Zeitraum zwischen dem 1.4. und dem 30.6.2020 aufgelaufen sind, weil der Mieter wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht zur Zahlung in der Lage war, gilt nach Artikel 240 § 2 EGBGB ein Sonderkündigungsschutz.


Allgemein zur Kündigung von Wohnraummietverträgen

Baulärm – Mietminderung

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 24.11.2021 (Aktenzeichen: VIII ZR 258/19), dass vom Nachbargrundstück ausgehender Baulärm keinen Mangel der Mietwohnung und damit keine Mietminderung begründet.

Der Mieter hatte 2011 eine Wohnung in Berlin neben einer Schrebergartensiedlung angemietet. Ab 2017 wurden auf dem Nachbargelände, das bis dahin als Schrebergartensiedlung genutzt worden war, vier mehrstöckige Wohngebäude mit Unterkellerung und Tiefgarage errichtet. Der Mieter hatte eine 30-prozentige Mietminderung wegen des von der Baustelle verursachten Lärms und Staubs geltende gemacht.

Das Landgericht Berlin (Urteil vom 21.8.2019; Aktenzeichen: 64 S 190/18) hatte die Minderung in gewissem Umfang anerkannt und sich dabei ausdrücklich gegen die in der sogenannten „Bolzplatzentscheidung“ des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29.4.2015; Aktenzeichen: VIII ZR 197/14; siehe Zusammenfassung) zum Ausdruck gebrachte Auffassung gewandt, dass eine Mietminderung wegen Baulärm in der Regel ausgeschlossen sei, wenn der Vermieter selbst, sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht gegen die beeinträchtigende Maßnahme wehren könne.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Landgerichts Berlin aufgehoben. Er bleibt bei seiner Ansicht. Allein der Umstand, dass beim Abschluss des Mietvertrags keine Baustelle vorhanden ist, führt nicht zu einer stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung, nach der der Vermieter die Haftung für Beeinträchtigungen durch in Zukunft betriebene Baustellen übernehmen will. Wenn es keine konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien gibt, richtet sich die Beurteilung der Frage, ob eine Mietminderung wegen Baulärms gerechtfertigt ist, nach den der Verkehrsauffassung und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben.

Der Bundesgerichtshof konkretisiert diesen Maßstab auf die Frage hin, was redliche Vertragspartner vereinbart haben würden, wenn sie bei Abschluss des Mietvertrags davon von der Möglichkeit eines bevorstehenden Baustellenbetriebs gewusst hätten. Das Gericht geht sodann davon aus, dass die in den Blick genommenen „redlichen Vertragspartner“ eine Haftungsübernahme des Vermieters für von ihm nicht beeinflussbare Umstände nicht vereinbart haben würden. Dahinter steht der Gedanke, dass der Wohnraummieter in seiner besonders geschützten Position an der Situationsgebundenheit des Mietobjekts teilnimmt und damit von außen einwirkende Beeinträchtigungen, die der Vermieter nicht beeinflussen kann, hinzunehmen hat.

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Betriebsschließungen wegen Corona – Bundesgerichtshof

In zwei Entscheidungen von Anfang 2022 hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 12.1.2022 – XII ZR 8/21, Urteil vom 16.2.2022 – XII ZR 17/21) klargestellt, dass Betriebsschließungen von Einzelhandelsgeschäften wegen Corona in der Regel nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinn von § 536 Absatz 1 BGB führen. Staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, die zu einer fllächendeckenden Schließung bestimmter Geschäfte führen, begründen als solche keine Mietminderung. Allerdings geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass solche Betriebsschließungen im Normalfall zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Absatz 1 BGB führen. Ob sich daraus allerdings ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags, insbesondere im Hinblick auf die Miethöhe ergibt, hängt von den Umständen des Einzelfalls (Umsatzrückgang, Kompensationsmöglichkeiten, staatliche Ersatzleistungen, Versicherungsleistungen) ab.

Kein Mangel der Mietsache, keine Mietminderung bei Betriebsschließungen wegen Corona

Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen und Gebrauchshindernisse, wie zum Beispiel Betriebsschließungen wegen Corona, nur dann einen Mangel der Mietsache im Sinn von § 536 BGB begründen können, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und ihre Ursache nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben. Andere gesetzgeberische Maßnahmen fielen allein in den Risikobereich des Mieters. Wenn der Gewerbebetrieb des Mieters nachträglich durch gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen beeinträchtigt werde, sei das grundsätzlich nicht das Problem des Vermieters. Die mit den Betriebsschließungen wegen Corona verbundenen Gebrauchsbeschränkungen knüpften nicht an der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts an, sondern allein die Nutzungsart und den damit verbundenden Publikumsverkehr. Die Zugangsbeschränkung für den Publikumsverkehr stelle keinen Mangel der Mietsache dar, weil sie nicht objektbezogen wirke, sondern alle vergleichbaren Geschäfte in dem entsprechenden Bundesland betreffe.

Störung der Geschäftsgrundlage wird bei Betriebsschließungen wegen Corona vermutet

Nach § 313 Absatz 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden,

  • wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend geändert haben,
  • wenn die Parteien den Vertrag bei Kenntnis dieser Veränderungen nicht oder nicht mit dem betreffenden Inhalt geschlossen hätten und
  • soweit dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Mit Gesetz vom 22.12.2020 wurde in Artikel 240 § 7 EGBGB die gesetzliche Vermutung statuiert, dass sich ein Umstand, der im Sinn von § 313 Absatz 1 BGB zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert hat, sofern gemietete Gewerberäume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Der Bundesgerichtshof weist ergänzend darauf hin, dass davon ausgegangen werden könne, dass die Parteien bei Vertragsschluss die Möglichkeit einer weltweiten Pandemie und deren Auswirkungen nicht mit bedacht hätten und dass der Vertrag in Kenntnis der Entwicklung nicht oder nicht mit dem gegebenen Inhalt geschlossen worden wäre.

Kein Anspruch auf Vertragsanpassung allein wegen Betriebsschließungen

Ein Anspruch auf Anpassung des Vertragsinhalts (Miethöhe) unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage besteht allerdings nur insoweit, als das Festhalten an dem unveränderten Vertrag für den Mieter nicht zumutbar ist. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit sind alle Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen. Der Bundesgerichtshof hat folgende Gesichtspunkte hervorgehoben:

  • Nachteile des Mieters durch die Geschäftsschließung und ihre Dauer, wobei bei gewerblichen Mietern regelmäßig auf den Umsatzrückgang im konkreten Mietobjekt (nicht im Konzern) abgestellt werden kann
  • Maßnahmen, die der Mieter ergriffen hat oder hätte ergreifen können, um den Umsatzrückgang zu verringern oder zu kompensieren
  • finanzielle Vorteile des Mieters in Form von staatlichen Unterstützungs- oder Versicherungsleistungen

Diese und ähnliche Umstände müssen in jedem Einzelfall festgestellt und gegeneinander abgewogen werden. Die Darlegungs- und Beweislast und das damit verbundene Risiko trägt der Mieter. Einer pauschalen Halbierung der Miete für den betroffenen Zeitraum, wie es das Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 24.2.2021 – 5 U 1782/20) in der Vorinstanz vorgenommen hatte, erteilte der Bundesgerichtshof eine ausdrückliche Absage.

andere Gerichtsentscheidungen zum Thema:

Filialschließung – Mietminderung: Landgericht Heidelberg

In einem Urteil vom 30.7.2020 (Aktenzeichen: 5 O 66/20) hat das Landgericht Heidelberg eine Mietminderung oder eine Anpassung des Mietvertrags wegen Filialschließung zurückgewiesen und der Klage eines Vermieters auf Mietzahlung des Gewerbemieters auch für Zeiträume, in denen das Verkaufsgeschäft aufgrund pandemiebedingter öffentlich-rechtlicher Beschränkungen nicht betrieben werden konnte, stattgegeben.

Im Mietvertrag war unter anderem geregelt, dass „bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Objekts“ dem Mieter ein Sonderkündigungsrecht mit einer Frist von 6 Monaten zum Monatsende zustehen sollte.

Keine Mietminderung wegen eines Mangels der Mietsache bei Filialschließung

Nach Auffassung des Gerichts lag ein Grund zur Minderung der Miete gemäß § 536 BGB nicht vor. Zwar könnten grundsätzlich auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen zu einem Mangel der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch führen. Voraussetzung sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt hätten und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (die Entscheidung verweist auf BGH, Urteil vom 2.3.1994 – XII ZR 175/92; BGH, Urteil vom 13.7.2011 – XII ZR 181/09). Die Mietsache selbst sei zu dem vereinbarten Zweck nach wie vor geeignet. Untersagt sei „lediglich“ der Betrieb und das unabhängig von der Beschaffenheit oder Lage der Mietobjekts. Dieser Umstand falle in den Risikobereich des Mieters.

Daran ändere der verschiedentlich vorgebrachte Hinweis auf Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Nutzungs- und Betätigungsverboten im Verlauf des Ersten Weltkriegs nicht, weil die Maßstäbe im Hinblick auf die Anbindung des Minderungsrechts an die Beschaffenheit und Lage des Mietobjekts zwischenzeitlich konkretisiert worden seien.

Keine Unmöglichkeit der Leistung des Vermieters bei Filialschließung

Es liege auch kein Fall der Unmöglichkeit der Vermieterleistung gemäß § 275, § 326 Absatz 1 BGB vor. Die Regelung in § 535 Absatz 1 Satz 2 BGB, nach der der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgegmäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen müsse, werde ergänzt durch die Regelung in § 537 Absatz 1 Satz 1 BGB, nach der die Mietzahlungspflicht nicht deshalb entfalle, weil der Mieter durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert würde. Es werde deutlich, dass der Vermieter nur eine Gebrauchsmöglichkeit verschaffen müsse. Nur wenn der Mieter die Mietsache nicht nutzen könne, weil sie selbst nicht nutzungstauglich sei, entfalle die Mietzahlungspflicht. Die Vermieterleistung erstrecke sich nicht auf die Nutzung der Mietsache, sondern nur auf deren Bereitstellung. Das Verwendungsrisiko liege beim Mieter.

Der Vermieter habe seine Leistungspflicht auch während der Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen erfüllt, indem er die Mietsache bereitgestellt habe. Die Tatsache, dass sie in dieser Zeit nicht habe genutzt werden können, gehe nach der gesetzlichen Risikoverteilung zu Lasten des Mieters.

Wegfall der Geschäftsgrundlage durch Filialschließung nur bei Existenzgefährdung

Schließlich komme auch eine Vertragsanpassung nach § 313 Absatz 1 BGB wegen einer schwerwiegenden Veränderung der Vertragsgrundlage nicht in Betracht. Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen vorgelegen haben sollten, sei es dem Mieter unter den gegebenen Umständen jedenfalls zumutbar, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festzuhalten. Maßgeblich sei, inwieweit die eingetretene Änderung der Umstände üblicherweise in das Risiko einer Vertragspartei falle, wie nahe diese Vertragspartei der Veränderung stehe und in welchem Umfang es ihr möglich und zumutbar gewesen wäre, Vorsorge zu treffen oder sich im Rahmen der Schließung andere Einnahmequellen zu verschaffen. Das Risiko, mit dem Objekt Gewinne erwirtschaften zu können, liege im gewerblichen Mietverhältnis grundsätzlich beim Mieter. Diese Risikoverteilung schließe abgesehen von extremen Aunahmefällen, die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung dieses Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (Die Entscheidung verweist auf (BGH, Urteil vom 16.2.2000 – XII ZR 279/97). Ein hinreichendes Maß der Unzumutbarkeit sei letztlich nur dann erreicht, wenn der Mieter substantiiert darlegen könne, dass er in seiner Existenz gefährdet sei oder dass ein vergleichbar extreme Ausnahmesituation vorliege.

Das Gericht stützte seine Entscheidung auch darauf, dass die pandemiebedingte Filialschließung „nur 4 1/2 Wochen (26 Arbeitstage)“ angedauert habe. Im Hinblick auf die mietvertragliche Regelung, nach der beim Vorliegen anderer Störungsursachen (zum Beispiel Verkehrsbehinderungen), die auch zu schwerwiegenden Umsatzeinbußen führen könnten, eine 6-monatige Kündigungsfrist vereinbart sei, sei das Risiko der pandemiebedingten Schließung im streitgegenständlichen Rahmen vom Mieter zu tragen.

Die Auffassung des Landgerichts Heidelberg, dass der Mieter eine Existenzgefährdung nachweisen müsse, damit eine Anpassung des Mietvertrags in Betracht käme, wird in der Rechtsprechung wohl mehrheitlich nicht geteilt. Jedenfalls nach der gesetzgeberischen Klarstellung zum 1.1.2021 in Artikel 240 § 7 EGBG sollte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Fälle pandemiebedingter Fililalschließungen auszugehen sein.

Pandemiebedingte Nutzungseinschränkung als Grund für Mietminderung ?

In einem Urteil vom 22.9.2020 (Aktenzeichen: 3 O 4495/20) ging die 3. Zivilkammer des Landgerichts München entgegen anderslautender Gerichtsentscheidungen (zum Beispiel: LG München I, 31 O 11516/20; LG Heidelberg, 5 O 66/20) davon aus, dass die pandemiebedingte Nutzungseinschränkung eines gewerblichen Mietobjekts (Einzelhandel) aufgrund behördlicher Pandemiebekämpfungsmaßnahmen einen Mangel der Mietsache darstelle, der gemäß § 536 BGB zur Minderung der Miete berechtige.

Zur Begründung nahm das Gericht im Wesentlichen Bezug auf Entscheidungen des Reichsgerichts, die im Zusammenhang mit den Geschehnissen des Ersten Weltkrieges ergangen waren. In Fällen, denen der Betrieb einer Fabrik, eines Tanzlokals, eines Nachlokals beziehungsweise einer Badeanstalt kriegsbedingt untersagt oder stark eingeschränkt worden war, war das Reichsgericht jeweils von einem Mietminderungsrecht ausgegangen. Diese Sichtweise stimmt nicht vollständig mit der später vom Bundesgerichtshof vertretenenen Auffassung überein, nach der Mietminderungsanspruch nur dann vorliegen könne, wenn die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit ihre Ursache in der Beschaffenheit oder der Lage der Mietsache selbst habe.

Das Gericht ging bei seinen Überlegungen vom Begriff des zwischen den Parteien vereinbarten „Mietzwecks“, dem Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts, aus. Dieser Mietzweck könne wegen der aus öffentlich-rechtlichen Gründen erfolgten pandemiebedingte Nutzungseinschränkung nicht mehr erfüllt werden. Diese Risiken fielen nicht in den Bereich des Mieters. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien sich bei Abschluss des Mietvertrags keine Gedanken über Nutzungseinschränkungen in der Innnenstadt wegen seuchenrechtlicher Maßnahmen gemacht hätten.

Damit treffe die behördliche Einschränkung die vertragsgemäß vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit der Mietsache selbst, weil nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien gerade ein Ladengeschäft für hochwertige Möbel und Möbelassessiors in der Münchener Innenstadt habe betrieben werden sollen. An diesem Mietzweck müsse sich der Vermieter festhalten lassen.

Die Situation unterscheide sich grundlegend von der einer Gahttps://www.danielis-rechtsanwalt.de/bundesgerichtshof-urteil-vom-12-1-2022-xii-zr-8-21/ststätte im Fall eines behördlich angeordneten Rauchverbots, weil die Gastsätte – wenn auch unter Verzicht auf Tabakkonsum – weiterbetrieben werden könne. Maßnahmen wie ein Rauchverbot hätten ihren Ursprung letztlich im Arbeitsrecht und berührten nur in seltenen Fällen den Mietzweck.

Entgegen der dargestellen Ansicht der 3. Zivilkammer des Landgerichts München I geht die Mehrzahl der veröffentlichten Gerichtsentscheidungen davon aus, dass pandemiebedingten Einschränkungen des Betriebs einer Gewerbeimmobilie in der Regel eher kein Grund für eine Mietminderung darstellen und allenfalls eine Vertragsanpassung wegen einer schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage im Sinn von § 313 BGB unter Abwägung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Betracht komme.

Diese Auffassung wurde später vom Bundesgerichtshof in einem anderen Verfahren (Urteil vom 121.2022 – XII ZR 7/21) im Wesentlichen bestätigt.

Rücklagen vs. Mietminderung bei pandemiebedingtem Umsatzausfall

In einem Urteil vom 12.2.2021 hat das Landgericht München I (Aktenzeichen: 31 O 11516/20) festgestellt, dass der Betreiber eines großen Warenhauses in Innenstadtlage trotz pandemiebedingt erzwungener Schließung des Kaufhauses nicht zu einer Mietminderung berechtigt ist und die volle Miete für den Monat April zu zahlen verpflichtet ist.

Auch unter Berücksichtigung der zum 1.1.2021 erfolgten Klarstellung des Gesetzgebers in Artikel 240 § 7 EGBGB ging das Gericht zwar davon aus, dass grundsätzlich eine schwerwiegende Störung der Vertragsgrundlage im Sinn von § 313 Absatz 1 BGB vorgelegen habe. Bei der Frage, ob dies zu einer Minderung der geschuldeten Miete für den betreffenden Zeitraum führe, müsse jedoch zunächst berücksichtigt werden, dass die Mieträume im Besitz des Mieters geblieben und teilweise noch benutzbar gewesen seien, zum Beispiel als Lagerräume oder auch um während der Schließung erforderliche Änderungs- oder Umbauarbeiten durchzuführen. Darüber hinaus könne nicht von einem vollständigen Umsatzausfall ausgegangen werden, weil jedenfalls ein Teil des weggefallenen Umsatzes vor Ort durch den Betrieb eines Online-Shops kompensiert worden sei.

Entscheidend stellte das Gericht jedoch darauf ab, dass es dem Warenhausbetreiber insbesondere unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in den vorangegangenen drei Jahren zumutbar gewesen wäre, eine Notfallrücklage von mindestens einer Monatsmiete zu bilden, die vorrangig einzusetzen gewesen wäre. Jedenfalls für den ersten Monat der erzwungenen Betriebsschließung, um den es in dem entschiedenen Fall ging, scheide deshalb eine Reduzierung der Miete aus.

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Gesetzgeberische Klarstellung in Artikel 240 § 7 EGBGB zum Beitrag

Testpflicht in Klinik (Corona)

Das Landgericht Dortmund hat in einem Beschluss vom 4.11.2020 (Aktenzeichen: 4 T 1/20) ein Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund bestätigt, nach der ein Krankenhausträger den Abschluss eines Behandlungsvertrages unter Umständen verweigern darf, wenn der Patient nicht bereit ist, einen Coronatest durchführen zu lassen.

Die verlangte Testung habe in jeder Hinsicht nachvollziehbare und begründete Motive verfolgt, weil sie dem Schutz der Mitpatienten und der Mitarbeiter der Klinik vor einer möglichen Infektion und der Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes gedient habe. Das Vorgehen der Klinik habe zudem den übergeordneten Zweck verfolgt, in Zeiten der Pandemie die Zahl der Erkrankten möglichst niedrig zu halten, um die vorhandenen Behandlungskapazitäten aufrecht zu erhalten und nicht ohne Not vollständig auszuschöpfen.

Abiturball wegen Corona ausgefallen

In einem Urteil vom 25.9.2020 hat das Landgericht Paderborn (Aktenzeichen: 3 O 261/20) entschieden, dass die mangelnde Durchführbarkeit eines Abiturballs aufgrund der Corona-Pandemie auf höherer Gewalt beruht und ein Rücktrittsrecht des Auftraggebers begründet. Im Fall des Landgerichts Paderborn musste sich der Auftraggeber nicht auf eine „Gutscheinlösung“ gemäß § 240 § 5 Absatz 1 EGBGB verweisen lassen, weil die Beauftragung eines Veranstalters mit der Planung und Durchführung eines Abiturballs nicht mit dem Erwerb von Tickets und Eintrittskarten einhergehe.