Landgericht München, Urteil vom 12.2.2021 – 31 O 11516/20 (Einzelhandel, Filialschließung)

LG München I
Urteil
vom 12.02.2021
31 O 11516/20
BGB §§ 275, 313, 536; EGBGB Art. 240 §§ 2, 7

1. Die Ausrichtung der Zumutbarkeitsprüfung i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB auf die konkrete Filiale gewährleistet, dass sich der Mieter nicht auf Verluste aus anderen Filialen und der Vermieter nicht auf Gewinne des Mieters aus anderen Filialen berufen kann. Dies beugt sowohl einer mehrfachen bzw. überproportionalen als auch einer abweichenden Verwertung der Verluste bzw. Gewinne aus anderen Filialen in Parallelverfahren vor.*)

2. Die Beschränkung der Anrechnung staatlicher Leistungen (hier: Kurzarbeitergeld) auf den Anteil der Miete an den Gesamtverbindlichkeiten des Mieters verhindert eine zu Lasten des Mieters wirkende überproportionale Berücksichtigung. Die Vornahme der Anrechnung vor Bildung der Quote im Rahmen der Risikoverteilung erscheint gegenüber der Anrechnung auf den Minderungsbetrag vorzugswürdig.*)

LG München I, Urteil vom 12.02.2021 – 31 O 11516/20 (nicht rechtskräftig)

In dem Rechtsstreit
….
wegen Forderung
erlässt das Landgericht München I – 31. Zivilkammer – durch den Richter Schäffer als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2021 folgendes Endurteil

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ### Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus ### Euro von 06.04.2020 bis 27.05.2020 und aus ### Euro seit 28.05.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.050.400,06 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht im Kontext der Corona-Pandemie einen Anspruch für den Monat April 2020 geltend. Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag vom 27.06.2002 (Anlage K1) mit zwei Nachträgen (Anlage K2) über das Geschäftshaus in der in . Die Beklagte betreibt in dem streitgegenständlichen Mietobjekt ein Einzelhandelsgeschäft.

Hinsichtlich der ursprünglichen Vertragsparteien und der zwischenzeitlichen Entwicklungen wird auf den unstreitigen Vortrag auf Seite 2 der Klageschrift Bezug genommen.

Der Mietvertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:

§ 2 Ziffer 2.1: „Die Vermietung erfolgt zum Betrieb eines Einzelhandelsgeschäftes mit dem jeweils ####-typischen Sortiment einschließlich entsprechender Beisortimente, sofern das Führen dieses Sortiments nicht sittlich anstößig ist und / oder gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Mit Blick auf die Laufzeit des Vertrages besteht zwischen den Vertragspartnern Einvernehmen, dass der Mieter berechtigt ist, Sortimentsänderungen und Sortimentserweiterungen vorzunehmen, ohne dass es dazu einer gesonderten Zustimmung seitens des Vermieters bedarf. Der Mieter hat wesentliche Änderungen / Erweiterungen aber schriftlich anzuzeigen.“

§ 2 Ziffer 2.2: „Wegen dieser weitreichenden Befugnis des Mieters ist die Herbeiführung und Aufrechterhaltung der Voraussetzungen für das Führen des Sortiments in technischer und rechtlicher Hinsicht Sache des Mieters. Die Herbeiführung und Aufrechterhaltung öffentlich-rechtlicher und technischer Voraussetzungen und Auflagen ohne Zusammenhang mit dem Mietzweck sind Sache des Vermieters.“ § 2 Ziffer 2.3: „Bei darüber hinausgehenden Änderungen des Mietzwecks ist die vorherige schriftliche Zustimmung des Vermieters erforderlich. Diese darf nur aus wichtigem Grund verweigert werden. (…).“

§ 17: „Der Vermieter ist verpflichtet, für das Mietobjekt eine Eigentümerhaftpflichtversicherung abzuschließen und für das Mietobjekt eine Gebäudefeuerversicherung abzuschließen. Der Mieter ist jedoch berechtigt, die vorgenannten Versicherungen für das Mietobjekt in ausreichender Höhe selbst abzuschließen. In diesem Fall hat der Mieter dem Vermieter durch entsprechende Bestätigung des Versicherers den Umfang und das Bestehen der Versicherung, bei Abschluss und jeweils auf Verlangen des Vermieters, nachzuweisen.“

Die Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 (BayMBl. 2020, Nr. 143) enthielt in Ziffer 4 folgende Regelung:

„Untersagt wird die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art. Hiervon ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Filialen der Deutschen Post AG, Tierbedarf, Bau- und Gartenmärkte, Tankstellen, Reinigungen und der Online-Handel. Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur für die in Ziffer 4 genannten Ausnahmen erlaubt.“

Mit Schreiben vom 18.03.2020 (Anlage K4) erklärte die Hauptverwaltung auf Beklagtenseite in Bezug auf das hier streitgegenständliche Geschäftshaus unter anderem, die Miete für den Monat April 2020 einzubehalten. Die Miete für den Monat April 2020 bezahlte die Beklagte nicht.

Die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) vom 27.03.2020 (Inkrafttreten: 31.03.2020; Außerkrafttreten: Ablauf des 19.04.2020)
enthielt in § 2 folgende Regelung:

Abs. 4: „Untersagt ist die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art. Hiervon ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Filialen der Deutschen Post AG, Tierbedarf, Tankstellen, Reinigungen und der Online-Handel. Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere, für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur erlaubt, soweit die in Satz 2 genannten Ausnahmen betroffen sind.“

Mit Beschluss vom 30.03.2020 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Aktenzeichen: 20 CS 20.611, BeckRS 2020, 4616) die Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20.03.2020 (Aktenzeichen: M 26 S 20.1222, BeckRS 2020, 4617) zurück. Der dortige Antragsteller wandte sich vergeblich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die auf die Allgemeinverfügung vom 16.03.2020 gestützte Untersagung seines Juweliergeschäfts.

Die 2. BayIfSMV vom 16.04.2020 (Inkrafttreten: 20.04.2020; Außerkrafttreten: Ablauf des 03.05.2020) enthielt in § 2 folgende Regelung:

Abs. 4: „Untersagt ist die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art. Hiervon ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, KfzWerkstätten, Fahrradwerkstätten, Reinigungen und der Online-Handel. Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere, für die Versorgung der Bevölkerung notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Ausgenommen sind auch Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel. Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur erlaubt, soweit die vorstehend genannten Ausnahmen betroffen sind.“

Abs. 5: „Abweichend von Abs. 4 Satz 1 und 5 ist die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels auch zulässig, wenn deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m² 1. nicht überschreiten und 2. der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m² Verkaufsfläche.“

Abs. 6: „Für die nach vorstehenden Regelungen geöffneten Geschäfte gilt: 1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann, 2. das Personal soll eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, 3.die Kunden sollen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, die sie entweder selbst mitbringen oder die ihnen im Rahmen der Verfügbarkeit vom Betreiber zur Verfügung gestellt wird, 4. der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept (z. B. Einlass, Mund-Nasen-Bedeckung) und, falls Kundenparkplätze zur Verfügung gestellt werden, ein Parkplatzkonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen. Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können im Einzelfall ergänzende Anordnungen erlassen, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist.“

Mit Beschluss vom 27.04.2020 entschied der BayVGH (Aktenzeichen: 20 NE 20.793, BeckRS 2020, 6630), dass die Absätze 4 und 5 des § 2 der 2. BayIfSMV mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind und § 2 Abs. 5 Nr. 1 der 2. BayIfSMV so zu verstehen ist, dass auch Einzelhandelsgeschäfte öffnen dürfen, die ihre Verkaufsfläche auf 800 m² oder weniger reduzieren.

Mit Schreiben vom 27.05.2020 (Anlage K3) erfolgte im Hinblick auf die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2019 eine Gutschrift zu Gunsten der Beklagten über ### Euro. Die Klageforderung errechnet sich aus der Differenz zwischen dem von der Beklagten monatlich zu leistenden Betrag in Höhe von ### Euro und der Gutschrift.

Die von der Beklagten mitgeteilten Gewinne sind unstreitig (Bl. 47 d.A.).

Die Klägerin ist der Ansicht, auf Basis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liege im vorliegenden Fall kein Sachmangel vor (Bl. 21-27 d.A.). Die Klägerin meint, dass kein Fall des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ vorliege; Artikel 240 § 2 EGBGB entfalte eine Sperrwirkung (Bl. 27-28 d.A.). Im Übrigen sei es der Beklagten zumutbar, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festzuhalten (Bl. 28-29 d.A.). Im Rahmen der Zumutbarkeit sei von Bedeutung, wie stark sich die staatlichen Beschränkungen auf den Betrieb des Mieters auswirken; entscheidend sei auch der „Erfindungsreichtum“zur Erschließung alternativer Einnahmequellen (Bl. 45 d.A.). Die Unzumutbarkeit richte sich allein nach dem Haus der Beklagten, das Gegenstand des Mietvertrages ist (Bl. 47 d.A.). § 313 BGB führe nicht zu einer Anpassung ipso iure, sondern begründe allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB (Bl. 64 d.A.).

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von 06.04.2020 bis 27.05.2020 aus Euro und ab 28.05.2020 aus Euro an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, sie habe infolge des ersten Lockdowns einen Umsatzverlust von 30 % erlitten. In der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2021 bezog sich diese Angabe auf den Zeitraum März bis August 2020 (Bl. 37 d.A.), im Schriftsatz vom 29.01.2021 auf den Zeitraum bis Dezember 2020 (Bl. 56 d.A.).

Die Beklagte trägt vor, sie habe insgesamt folgende Umsatzerlöse erzielt: ### Euro im Geschäftsjahr 01.03.2017-28.02.2018, ### Euro im Geschäftsjahr 01.03.2018- 28.02.2019 und #### Euro im Geschäftsjahr 01.03.2019-29.02.2020; zudem habe sie insgesamt folgende Ergebnisse (nach Steuern und vor Ergebnisverteilung) erzielt: ### Euro als Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 01.03.2017-28.02.2018, #### Euro als Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 01.03.2018- 28.02.2019 und ### Euro als Jahresfehlbetrag im Geschäftsjahr 01.03.2019-29.02.2020 (S. 2 des Protokolls, Bl. 37 d.A. mit Anlagen).

Die Beklagte trägt vor, sie habe im Zeitraum März bis August 2020 insgesamt Kurzarbeitergeld in Höhe von ### Euro bezogen (Bl. 58 d.A.), davon #### Mio. Euro im April 2020 (Bl. 38 d.A.).

Die Beklagte trägt vor, die Filialen der Beklagten seien unselbständige Betriebsstellen und würden im Jahresabschluss nicht gesondert ausgewiesen; der Bruttoumsatz der hier streitgegenständlichen Filiale habe sich in den Geschäftsjahren 2017 bis 2019 auf durchschnittlich ### Euro belaufen; der Bruttoumsatz für den Monat April habe ### Euro im Jahr 2017, ### Euro im Jahr 2018 und ### Euro im Jahr 2019 betragen (Bl. 59 d.A.). Im April 2020 habe sie mit dieser Filiale keinen Umsatz erzielt (Bl. 60 d.A.).

Die Beklagte ist der Ansicht, das Mitobjekt sei zumindest im Rahmen des Pandemie-Lockdowns zum Betrieb eines Textilkaufhauses nicht geeignet gewesen, weshalb ein Mangel der Mietsache gemäß § 536 Absatz 1 BGB zu bejahen sei; dass ein Geschäftslokal für den Publikumsverkehr zugänglich bleibt, sei eine so unvordenkliche Grundbedingung einer einzelhandelsgewerblichen Vermietung, dass dieses Verwendbarkeitsrisiko den Vermieter treffe (Bl. 14 d.A.). Die Beklagte stützt ihre Rechtsansicht maßgeblich auf die Entscheidung des LG München I, Urteil vom 22.9.2020 – 3 O 4495/20 (Bl. 14-18 d.A.). Die Beklagte ist schließlich der Ansicht, dass jedenfalls § 326 BGB und subsidiär § 313 BGB zum Wegfall der Mietzahlungsverpflichtung führten (Bl. 18 d.A.). Eine nachträgliche Änderung vertragswesentlicher objektiver Umstände liege vor (Bl. 52 d.A.). Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit sei die Unternehmensstruktur der Beklagten grundlegend zu berücksichtigen (Bl. 53 d.A.). Die Beklagte ist der Ansicht, eine mindestens monatelang andauernde Weltwirtschaftskrise, mit der niemand gerechnet habe, könne durch Rücklagen nicht aufgefangen werden und ein Unternehmen müsse nicht sein gesamtes „Sparguthaben“ aufbrauchen (Bl. 57 d.A.). Eine Selbstverpflichtung zur Krisenrücklage gebe es von staatlicher Seite nicht; gemäß der Rechtsprechung des BFH vom 28.08.2018 (Az. X B 48/18) könnten Rücklagen nur gebildet werden, wenn zum Bilanzstichtag aufgrund objektiver Kriterien ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist (Bl. 58 d.A.).

Die Beklagte hat sich in der Klageerwiderung eine Aufrechnung bzw. Widerklage bzgl. der Monate März, Mai und Juni 2020 vorbehalten (Bl. 18 d.A.), insoweit aber keine Erklärung abgegeben und keinen Antrag gestellt. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien, die Verfügungen vom 29.12.2020 (Bl. 31 d.A.) und 11.01.2021 (Bl. 40 d.A.) sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 11.01.2021 (Bl. 36-39 d.A.) jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Ein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand nicht. Die entsprechenden Ausführungen im Schriftsatz der Klagepartei vom 05.02.2021 auf S. 4 f. (Bl. 65 f. d.A.) sind zutreffend.

II.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München I gemäß §§ 23 Nummer 1, 71 Absatz 1 GVG sachlich und gemäß § 29a Absatz 1 ZPO örtlich zuständig.

III.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat auf Basis der konkreten Umstände des Einzelfalls in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit einen Anspruch auf Zahlung der vollen Miete für den Monat April 2020. Der Anspruch ergibt sich aus § 535 Absatz 2 BGB. Die Anwendung des § 313 Absatz 1 BGB führt aufgrund der hier vorliegenden Umstände des Einzelfalls zu keinem anderen Ergebnis.

Zu den hier einschlägigen Rechtsfragen in Bezug auf die rechtliche Behandlung der Folgen der Corona-Pandemie für Gewerberaummietverhältnisse liegen bereits einige Entscheidungen vor (vgl. – auch für die folgenden Zitate – die Übersicht bei LG München I, Urteil vom 25.1.2021 – 31 O 7743/20, BeckRS 2021, 453; zudem LG München II, Urteil vom 28.1.2021 – 1 O 2273/20; LG Kempten, Urteil vom 7.12.2020 – 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736; LG Lüneburg, Urteil vom 17.11.2020 – 5 O 158/20; AG Pinneberg, Urteil vom 17.11.2020 – 81 C 81/20, BeckRS 2020, 33730; Amtsgericht Oberhausen, Urteil vom 6.10.2020 – 37 C 863/20, BeckRS 2020, 35507). Einige der Entscheidungen betreffen den Fall, dass in den vermieteten Gewerberäumen ein Einzelhandelsgeschäft betrieben wird.

Auch liegen bereits zahlreiche einschlägige Aufsätze vor (vgl. die Übersicht bei LG München I, Urteil vom 25.01.2021 – 31 O 7743/20, BeckRS 2021, 453; zudem u.a. Römermann, NJW 2021, 265; Sittner, NJW 2020, 1169; Blatt/Stobbe, IMR 2021, 45; Klimesch, IMR 2021, 47; Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5). Zu nennen ist auch die Vortragsreihe „Vertragsrecht in der Coronakrise“ (vgl. YouTube).

Die Miete war für den Zeitraum April 2020 nicht gemäß § 536 Absatz 1 BGB zu mindern (dazu Ziffer III.1). Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf die Regelungen zur Unmöglichkeit (dazu Ziffer III.2). Aufgrund der konkreten Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls besteht für den Monat April 2020 auch kein Recht der Beklagten auf Vertragsanpassung (dazu Ziffer III.3).

1. Die Miete war nicht zu mindern. Ein die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebender Mangel i.S.d. § 536 Absatz 1 Satz 1 BGB liegt nicht vor. Ein solcher Mangel ist jede Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit des Mietobjekts von dem hierfür vertraglich definierten Sollstandard, die die Schwelle der Erheblichkeit des § 536 Absatz 1 Satz 3 BGB überschreitet (BeckOGK-BGB/Bieder, Stand: 01.07.2020, § 536 BGB Rn. 30).

a. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 13.07.2011 (Aktenzeichen: XII ZR 189/09; BeckRS 2011, 21250) im Zusammenhang mit einem landesgesetzlichen Rauchverbot ausgeführt, dass öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch entgegenstehen, nur dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff. BGB begründen, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben (Rz. 8). Da das Urteil wiederholt Pächter und Mieter gemeinsam und teils Gewerberaummieter explizit erwähnt, geht der Einzelrichter davon aus, dass es für die Entscheidung keinen Unterschied zwischen Pacht und Miete gab.

Der Senat ist der Ansicht, dass es nachträglich einen Mangel i.S.d. § 536 Absatz 1 Satz 1 BGB begründen kann, wenn sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts ergeben; dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Objekts in Zusammenhang steht; andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters, denn das Verwendungsrisiko trägt bei der Gewerberaummiete grundsätzlich der Mieter, wozu vor allem das Risiko gehört, Gewinne erzielen zu können (Rz. 9).

Konkret in Bezug auf das in Rede stehende Rauchverbot kommt der Senat zum Ergebnis, dass dieses sich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters bezieht, also nur dessen betriebliche Verhältnisse betrifft (Rz. 13).

Der Senat betont schließlich, dass das Verwendungsrisiko nicht auf den Verpächter (d.h. auch nicht auf den Vermieter) abgewälzt werden darf. Der Verpächter muss zwar gemäß § 535 Absatz 1 Satz 2 BGB sämtliche Maßnahmen vornehmen, um dem Pächter den vertragsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen; dies bedeutet angesichts der gesetzlichen Risikoverteilung aber nicht, dass der Verpächter für eine Störung verantwortlich ist, die ihre Ursache nicht in dem Zustand oder der Beschaffenheit der Pachtsache hat (Rz. 17).

b. Vor diesem Hintergrund können die einzelnen BayIfSMV einen Mangel nicht begründen (vgl. aus den weiteren Bundesländern: LG Mönchengladbach, aao Rz. 19; LG Stuttgart, aao Rz. 17; LG Wiesbaden, aao Rz. 14; LG Zweibrücken, aao Rz. 40; LG Heidelberg, aao Rz. 27; AG Köln, aao Rz. 21). Diese knüpfen mit dem Zweck, die weitere Ausbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2) zu bekämpfen bzw. einzudämmen, ausschließlich an den Gesundheitsschutz an. Die Maßnahme findet ihre Ursache weder im Zustand noch in der Beschaffenheit des streitgegenständlichen Mietobjekts, sondern darin, dass Mitarbeiter und Kunden zur weiteren Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus beitragen könnten. Die Klägerin trifft insofern mangels entsprechender vertraglicher oder gesetzlicher Regelung keine Pflicht, Abhilfe zu schaffen. Da die Pandemie außerhalb jeglicher Einflussmöglichkeit der Parteien liegt, lässt sich eine solche Pflicht der Klägerin auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung begründen. Die Verneinung eines Sachmangels führt damit auch nicht zur uneingeschränkten Zuweisung des Risikos auf den Mieter, sondern bringt zum Ausdruck, dass die Folgen der aufgrund der Corona-Pandemie erlassenen hoheitlichen Maßnahmen außerhalb der gesetzlichen Risikoverteilung liegen.

2. Die Beklagte kann sich nicht auf § 326 Absatz 1 BGB berufen.

a. Die Vorschrift ist nicht anwendbar (ebenso: LG Stuttgart, aao Rz. 19). § 326 Abs. 1 BGB ist zeitlich nur bis zum Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache anwendbar und wird mit Überlassung von den Vorschriften des besonderen Gewährleistungsrechts verdrängt (vgl. etwa BeckOGK-BGB/Herresthal, Stand: 01.06.2019, § 326 BGB Rn. 65).

b. Im Übrigen läge ein Fall der Unmöglichkeit (§ 275 Abatz 1 BGB) für den Vermieter, dem Mieter gemäß § 535 Absatz 1 Satz 1 BGB den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren und gemäß § 535 Absatz 1 Satz 2 BGB die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten, nicht vor (ebenso: LG Mönchengladbach, aao Rz. 29, 32, 35; LG Wiesbaden, aao Rz. 15; LG Heidelberg, aao Rz. 32; AG Köln, aao Rz. 27).

Zwar gehört hierzu insbesondere ihre Eignung zu dem vertraglich vereinbarten Verwendungszweck (KG, Urteil vom 21.11.2016 – 8 U 121/15, BeckRS 2016, 108966, Rz. 21; BeckOGK-BGB/H. Schmidt, Stand: 01.10.2020, § 535 BGB Rn. 264). Die Eignung ist aber auch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht entfallen. Die Pflicht nach § 535 Absatz 1 Satz 1 BGB hat die Klägerin von Anfang an erfüllt, indem sie der Beklagten die Räume überlassen hat. Auch die Pflicht nach § 535 Abatz 1 Satz 2 BGB hat die Klägerin von Anfang an erfüllt. Die Beklagte betreibt seit Beginn des Mietverhältnisses ein Einzelhandelsgeschäft. Die Auswirkungen der infolge der Corona-Pandemie erlassenen BayIfSMV betreffen mangels Bezugs zur Beschaffenheit bzw. zum Zustand der Mietsache nicht die Leistungspflicht der Klägerin als Vermieterin.

3. Die Beklagte kann aufgrund der vorliegenden Umstände des Einzelfalles auch nicht im Rahmen des § 313 Absatz 1 BGB eine Reduzierung der Miete verlangen.

a. Der Anwendungsbereich der Norm ist eröffnet.

aa. Insbesondere hindern die „aus Anlass der COVID-19-Pandemie“ erlassenen „vertragsrechtlichen Regelungen“ (vgl. Überschrift des Art. 240 EGBGB) in Artikel 240 § 2 EGBGB die Anwendung des § 313 BGB nicht (vgl. LG Mannheim, aao Rz. 14; LG Mönchengladbach, aao Rz. 38, 39; Streyl, NZM 2020, 817, 823; a.A.: vgl. LG Heidelberg, aao Rz. 37; Klimesch/Walther, ZMR 2020, 556).

Artikel 240 § 1 EGBGB regelt ein Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher. Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1, S. 2 EGBGB (Gesetz vom 27.03.2020, BGBl. I S. 569; Inkrafttreten: 01.04.2020) schließt eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus, wenn diese allein darauf gestützt wird, dass der Mieter im Zeitraum 01.04.2020-30.06.2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und der Zusammenhang glaubhaft gemacht wird.

Dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass mit Art. 240 EGBGB eine gegenüber § 313 BGB vorrangige Sonderregelung geschaffen werden sollte. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die – als „vertragsrechtliche Regelungen“ bezeichneten – gesetzlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB in die durch Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz gewährleistete Vertragsfreiheit der Parteien eingreifen, indem sie das bei Vertragsschluss bestehende Leistungsstörungsrecht modifizieren. Bereits deshalb bedarf ein Ausschluss der Anwendung des § 313 BGB einer hinreichend erkennbaren Regelung, die nicht vorliegt. Eine konstitutive Regelung zum Ausschluss des § 313 BGB en passant anzunehmen – was es vorher nie gab und in Widerspruch zu grundlegenden Wertungen des Schuldrechts stehen würde – ist ausgeschlossen (so wörtlich: Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5, 10).

Auch der Zweck des Artikel 240 § 2 EGBGB lässt die Annahme nicht zu, dass § 313 BGB nicht anwendbar wäre (vgl. LG Mönchengladbach, aao Rz. 39). Art. 240 § 2 EGBGB verfolgt erkennbar den Zweck, dem – durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Zahlungsnot geratenen – Mieter den Gebrauch der Mietsache zu erhalten, mithin zu Gunsten der Mieter zu wirken. Ein Ausschluss der Anwendung des § 313 BGB würde dazu führen, dass der Mieter zur Fortsetzung des Vertrags bei fortbestehender Pflicht zur Zahlung der vollständigen Miete gezwungen wäre; schließlich sind Sachmangel und Unmöglichkeit jeweils zu verneinen.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hatte zum 02.07.2020 (https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/Corona/Miete/Corona_Miete_node.html) erläutert, dass Artikel 240 § 2 EGBGB keine Aussage darüber treffe, ob und in welcher Höhe bei Einschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie Miet- und Pachtzahlungen fällig werden; dies bestimme sich weiterhin nach den vertraglichen Vereinbarungen und den allgemeinen gesetzlichen Regelungen, beispielsweise der Störung der Geschäftsgrundlage. Die Relevanz für die Gesetzesauslegung kann bezweifelt werden, allerdings hieß es bereits im Gesetzesentwurf vom 24.03.2020 lediglich, dass die „Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete (…) im Gegenzug im Grundsatz bestehen“ bleibt (BT-Drs. 19/18110, S. 4); der juristische Sprachgebrauch schließt daher einen abschließenden Charakter der Regelung aus.

Im Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 25.03.2020 wurde formuliert: „Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, (…); Mieter müssten darauf hingewiesen werden, dass sie mögliche staatliche Hilfen in Anspruch nehmen sollten und der Anspruch auf Zahlung der Miete selbstverständlich bestehen bleibe. Es sei wichtig, zu schauen, wer am Ende das Risiko trage, um einen angemessenen Lastenausgleich zu erreichen.“Der Verweis auf die offensichtlich offene Risikotragung und den angemessenen Lastenausgleich zeigt ebenfalls, dass eine Anwendung des § 313 Absatz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollte (BT-Drs. 19/18158, S. 2). Artikel 240 § 2 EGBGB enthält dementsprechend auch keine gesetzliche Risikozuordnung (Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5, 9 f.).

bb. Die Anwendbarkeit des § 313 BGB hat der Gesetzgeber nunmehr mit Artikel 240 § 7 EGBGB klargestellt. Der Bundestag hat mit Artikel 10 des Gesetzes vom 22.12.2020 (BGBl. 2020 Teil I Nr. 67, S. 3332) den Art. 240 EGBGB um § 7 ergänzt (vgl. auch BT-Drs. 19/25251, S. 22). Dieser hat den Titel „Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen und lautet in Absatz 1 wie folgt: „Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“ Gemäß Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes vom 22.12.2020 (BGBl. 2020 Teil I Nr. 67, S. 3333) ist diese Regelung am 31.12.2020 in Kraft getreten. Die Frage einer Rückwirkung stellt sich nicht, da es sich um eine Klarstellung handelt (vgl. BT-Drs. 19/25322, S. 19-21; a.A. Klimesch, IMR 2021, 47). Der Regelungszweck des § 313 BGB bestätigt, dass die Einführung des Artikel 240 § 7 EGBGB durch den Gesetzgeber nur eine Klarstellungsfunktion hat; eine solche Klarstellung wurde bei Anwendung des § 313 BGB als entbehrlich angesehen (Riehm, NZM-info Heft 23/2020, VII). Unabhängig davon kommt jedenfalls im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot nicht in Betracht. Dieser ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass Artikel 240 § 2 EGBGB teilweise als abschließende Regelung angesehen wird. Auch führt Artikel 240 § 7 EGBGB nicht dazu, dass nach der vor Inkrafttreten bestehenden Rechtslage entstandene Ansprüche von Vermietern vernichtet würden. Die Hauptverwaltung auf Beklagtenseite hat sich bereits mit Schreiben vom 18.03.2020 (Anlage K4) auf die Folgen der Pandemie berufen. Dementsprechend stand für das vorliegende Vertragsverhältnis vor Beginn des hier streitgegenständlichen Zeitraums (Monat April 2020) objektiv fest, dass § 313 Absatz 1 BGB insoweit zu prüfen sein wird.

b. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt vor. Die Klägerin hat insoweit keine erheblichen Einwände vorgebracht, sondern eine Sperrwirkung aus Art. 240 §§ 1, 2 EGBGB geltend gemacht.

c. Es ist davon auszugehen, dass verständige Parteien bei Kenntnis einer bevorstehenden Pandemie mit den aktuellen allgemein bekannten Folgen den Vertrag mit einer Klausel zur Risikoverteilung geschlossen hätten. Die Parteien haben dies nicht angezweifelt; die Klägerin hat insoweit keine Einwände vorgebracht.

d. Zwar hat die Beklagte grundsätzlich ein Recht auf Vertragsanpassung, die Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls führen aber zu einer Ausnahme und damit zur Aufrechterhaltung der vollen Mietzahlungspflicht der Beklagten jedenfalls für den Monat April.

aa. Dieses Ergebnis ergibt sich zwar weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des § 537 Absatz 1 BGB. § 537 Abs. 1 BGB weist dem Mieter das Verwendungsrisiko für in seiner Person liegende Gründe zu. Die Corona-Pandemie mit ihren Folgen stellt keinen solchen in der Person des Mieters liegenden Grund dar. Ebenso wie es für das Werkvertragsrecht angenommen wird (Riehm/Thomas, Jura 2020, 1046 ff.), ist auch für das Gewerberaummietrecht davon auszugehen, dass das Pandemierisiko außerhalb der gesetzlichen Risikoverteilung liegt. Diese Wertung ist auch im Rahmen des § 313 Absatz 1 BGB zu berücksichtigen.

bb. Auch setzt eine Vertragsanpassung nicht eine Existenzgefährdung voraus. § 313 Absatz 1 BGB verlangt lediglich die Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag. Die Existenzgefährdung ist der ultimative Anwendungsfall einer Unzumutbarkeit und kann deshalb nicht der alleinige Anwendungsfall sein (vgl. Riehm, NZM-info Heft 23/2020, VII; Brinkmann/Thüsing, NZM 2021, 5, 10, beurteilen die Existenzgefährdung als „weder notwendige noch hinreichende Bedingung“). Das Recht zur Vertragsanpassung besteht daher schon auf einem geringeren Schwereniveau der Störung.

Offen ist, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen einer Vertragsanpassung auf die konkrete Situation der Corona-Pandemie ohne Einschränkungen zu übertragen ist (dafür wohl: LG Frankfurt a.M., aao Rz. 26; LG Mannheim, aao Rz. 31). Nach Ansicht des BGH kommt im Wortlaut des § 313 Absatz 1 BGB zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung rechtfertigt. Hierfür sei vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem für die betroffene Partei nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (BGH, Urteil vom 1.2.2012 – VIII ZR 307/10, BeckRS 2012, 4860, Rz. 30). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Folgen eines Ereignisses (hier: Anordnung der vorübergehenden Kaufhausschließung), das auf von den Parteien nicht beeinflussbaren Entwicklungen (hier: allgemeines Infektionsgeschehen, das den Verordnungsgeber zum Erlass der entsprechenden Verordnungsregelung veranlasst hat) beruht, nicht ohne sachliche Gründe, die zudem im Einflussbereich der Parteien liegen müssen, einseitig einer Seite zugewiesen werden können. Dementsprechend liegt es nahe, für die Beurteilung der Zumutbarkeit bereits beim Maßstab für die Risikoverteilung anzusetzen.

cc. Die Vertragsanpassung für den Monat April scheitert aber an den hier festgestellten besonderen Umständen des Einzelfalls. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung Zahlen zum Umsatz und weiteren Aspekten der wirtschaftlichen Lage vorgetragen und diese Angaben nach Verfügung des Einzelrichters konkretisiert. Die genannten Zahlen rechtfertigen eine Herabsetzung der Miete nicht.

(1) Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Zahlungsschuldner grundsätzlich verschuldensunabhängig für die eigene Zahlungsfähigkeit und deren Erhaltung haftet. Daraus ergibt sich, dass der Zahlungsschuldner in angemessenem und zumutbarem Umfang Rücklagen zu bilden hat, um Umsatzeinbrüche entsprechend abfedern zu können; dies gilt auch allgemein für einen durchschnittlich wirtschaftenden Unternehmer. Ein etwaiges Versäumnis der Rücklagenbildung und dessen Folgen dürfen weder vollständig noch teilweise zu einer Belastung des Gläubigers (hier: des Vermieters) führen. Eine Betrachtungsweise, die den für die Frage der Zumutbarkeit i.S.d. § 313 Absatz 1 BGB maßgeblichen Zeitraum auf die Dauer der Lockdown-Maßnahmen beschränkt, ohne den bisherigen Verlauf des Mietverhältnisses zu berücksichtigen, wird dem Charakter eines Dauerschuldverhältnisses nicht gerecht. Die in der Praxis teilweise befürchtete Gefahr von Manipulationen steht dem nicht entgegen, denn zum einen gilt im Zivilprozess gemäß § 138 Absatz 1 ZPO die Pflicht zu wahrheitsgemäßem und vollständigem Vorbringen, zum anderen beseitigt eine solche Gefahr nicht die Obliegenheit zu verantwortlichem Handeln. Mit dem Einwand, dass Rücklagen in der Pandemie schnell aufgebraucht wären, kann die Obliegenheit zur Rücklagenbildung ebenfalls nicht in Abrede gestellt werden. Der Einwand, dass Unternehmen mit Rücklagen weniger staatliche Unterstützungsleistungen erhalten, erklärt nicht, woraus sich für Unternehmen mit ausreichenden Rücklagen (bzw. der Möglichkeit zur Bildung entsprechender Rücklagen) ein Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen ergibt. Der Einwand, Rücklagen würden in Zeiten von Negativzinsen zu einer unwirtschaftlichen Kapitalvernichtung führen und Investitionen seien gewinnbringender, lässt außer Acht, dass unternehmerische Entscheidungen allein im Risikobereich des Unternehmers liegen, und begründet nicht, auf welcher Grundlage negative Folgen dieser Entscheidungen auf den Vertragspartner abgewälzt werden könnten. Dass solche Rückstellungen den Gewinn und damit die Steuerlast nicht mindern, ist separat bilanz- bzw. steuerrechtlich zu beurteilen und begründet nicht die Unzumutbarkeit im Kontext des § 313 Absatz 1 BGB.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei den Folgen der Corona-Pandemie dahingehend zu differenzieren ist, ob ein Rückgang bei der Nachfrage bzw. beim Umsatz unmittelbar auf der/den wegen der Pandemie erlassenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung(/en) (im vorliegenden Fall namentlich auf der darin geregelten Untersagung – 1. BayIfSMV – bzw. erheblichen Beschränkung – 2. BayIfSMV – des Betriebs von Geschäften des Einzelhandels) beruht, oder nur mittelbar in Gestalt des wegen der Pandemie veränderten Kundenverhaltens. Das Kundenverhalten betrifft im Ausgangspunkt unmittelbar das Verwendungsrisiko des Mieters. Die Pandemie stellt allerdings einen Sonderfall dar, der Veranlassung geben könnte, auch insoweit eine Vertragsanpassung anzuerkennen; aufgrund des konkreten Bezugs zum Verwendungsrisiko des Mieters ist hier jedoch ein – im Vergleich zur Beurteilung der Auswirkungen der behördlichen Anordnungen – deutlich strengerer Maßstab anzulegen. Die Schwierigkeit besteht darin, diejenigen Fälle des Nachfragerückgangs zu identifizieren, die auf einer Entscheidung zur Vermeidung des Risikos einer Ansteckung beruhen, und sie von einem allgemeinen Rückgang der Nachfrage abzugrenzen. Insoweit ist festzustellen, dass Artikel 240 § 7 EGBGB ausdrücklich die Lösung des Problems der Auswirkungen der Betriebsschließungen und Nutzungsbeschränkungen adressiert, nicht jedoch die Auswirkungen, die die Corona-Pandemie infolge eines veränderten Kundenverhaltens hat.

Nach Ansicht des Gesetzgebers knüpft die Vermutung in Artikel 240 § 7 EGBGB im Ausgangspunkt an eine staatliche Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie an, weshalb gerade die staatliche Maßnahme die Verwendbarkeit für den Betrieb des Mieters erheblich einschränken müsse (was etwa bei einer Schließungsanordnung oder der Vorgabe von Beschränkungen der Personenanzahl gegeben sei); daran fehle es beispielsweise dann, wenn bei einem Betrieb mit Publikumsverkehr die Kundschaft allein wegen sinkender Konsumbereitschaft ausbleibt (BT-Drs. 19/25322, S. 20).

Weiter ist zu berücksichtigen, dass ein Scheitern der Vergleichsverhandlungen im Regelfall wohl keiner der Parteien angelastet werden kann, auch wenn mit Artikel 240 § 7 EGBGB die Vergleichsbereitschaft gefördert werden sollte (vgl. BT-Drs. 19/25322, S. 19).

Schließlich weist der Gesetzgeber explizit darauf hin, dass eine Vertragsanpassung „nur im angemessenen Umfang“ begehrt werden kann; ebenso „kann nur diejenige Rechtsfolge begehrt werden, welche die schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile in ein angemessenes Gleichgewicht bringt“; eine Überkompensation wird nicht gewährt; eine starke Beeinträchtigung wird durch erheblich zurückgegangene Umsätze indiziert; öffentliche bzw. staatliche Zuschüsse sowie (etwa durch Kurzarbeit oder weggefallene Wareneinkäufe) ersparte Aufwendungen sind zu berücksichtigen (hBT-Drs. 19/25322, S. 21).

Soweit das Risiko der Pandemie zwischen den Parteien zu verteilen ist, bietet sich als Ausgangspunkt eine Quote von 50:50 an (vgl. Häublein/Müller, NZM
2020, 481, 490). Denn das wirtschaftliche Risiko der Nutzbarkeit trifft beide Parteien (vgl. Zehelein, NZM 2020, 390, 399 f.). Der Mieter kann nicht oder nur sehr eingeschränkt Gewinn erzielen, der Vermieter wird die Mietsache kaum zum vertraglich vereinbarten Mietpreis an jemand Dritten vermieten können. Eine bloße Stundung ist nicht angemessen, vielmehr bedarf es einer Aufteilung des Verlustes über die Risikotragung (Zehelein, aao; a.A. Lützenkirchen, MietRB 2020, 111, 114). Die Infektionsschutzmaßnahmen sind als gravierende Überschreitung des üblichen Verwendungsrisikos zu qualifizieren (Kumkar/Voß, ZIP 2020, 893, 901). Gleichwohl ist auch die Versicherbarkeit des Risikos grundsätzlich zu berücksichtigen. Auch wenn die Quote 50:50 auf Basis der allgemeinen Wertungen damit einen angemessenen Ausgangspunkt bildet, bedarf die Festlegung der Quote dennoch einer konkreten Begründung auf Basis der Umstände des Einzelfalls.

(2) Ausgehend hiervon führt die – bereits nach dem Wortlaut des § 313 Absatz 1 BGB zwingende (vgl. insoweit auch Riehm, NZM-info Heft 23/2020, V ff., der für eine differenzierte Prüfung des § 313.html313 Absatz 1 BGB plädiert) – Würdigung aller Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls zu dem Ergebnis, dass die Beklagte für den Monat April 2020 die Miete in voller Höhe zu bezahlen hat.

(a) Zunächst ist vom Bezugspunkt der Risikoverteilung ein Abschlag vorzunehmen, weil die Beklagte weiterhin den Besitz über die Kaufhausräume hatte, sodass sie Verbesserungen oder sonstige Maßnahmen im Innenbereich hätte vornehmen hätte können (etwa neue Positionierung des Sortiments), die während eines regulären Betriebs vermieden werden. Hier erscheint es zumutbar, insoweit einen Anteil von 5 % anzusetzen, der aus der zwischen den Parteien vorzunehmenden Risikoverteilung auszunehmen ist. Zudem ist für die uneingeschränkte Nutzbarkeit als Fläche zur Aufbewahrung und Lagerung der Sortimentsbestandteile ein Abschlag vorzunehmen, hinsichtlich dessen ebenfalls 5 % als angemessen erscheinen. Folglich hat sich eine Risikoverteilung auf den nunmehr verbleibenden Anteil der Monatsmiete (90 %) zu beschränken.

(b) Die Angaben der Beklagten zur Umsatzentwicklung führen ebenfalls zu einer weiteren Beschränkung der Risikoverteilung.

Bei Filialen ist zunächst zu bestimmen, ob sich die Risikoverteilung auf die konkrete Filiale, hier also das streitgegenständliche Kaufhaus, zu beschränken hat. Hierfür spricht, dass der Mieter sich nicht gegenüber dem Vermieter auf Verluste aus anderen Filialen und umgekehrt der Vermieter sich nicht auf Gewinne des Mieters aus anderen Filialen berufen können sollte. Auch ist die andernfalls bestehende Gefahr zu berücksichtigen, dass eine Gesamtbetrachtung des Konzernergebnisses zu einer erheblichen Benachteiligung einer der Parteien führen könnte, weil Gewinne (zu Lasten des Vermieters) bzw. Verluste (zu Lasten des Mieters) in Parallelprozessen mehrfach bzw. abweichend verwertet werden könnten. Auch die Einbeziehung etwaiger bereits ergangener gerichtlicher Entscheidungen zu anderen Filialen leistet insoweit keine Abhilfe: Zum einen besteht nach wie vor die Gefahr abweichender Entscheidungen zur Risikoverteilung; zum anderen könnte die Gefahr bestehen, dass ein früher mit einer Klage auf Zahlung der Miete(n) aktiv gewordener Vermieter grundlos besser steht, was dem Zweck des Artikel 240 § 7 EGBGB, die Vergleichsbereitschaft der Parteien zu fördern, zuwiderlaufen würde.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit der streitgegenständlichen Filiale im April 2020 keinen Umsatz erzielt; inwieweit die Beklagte mit den anderen Filialen im April 2020 Umsatz erzielt hat, ist nicht dargetan. Gleichwohl hat die Beklagte nach ihrem Vortrag im Zeitraum März bis August 2020 bzw. März bis Dezember 2020 einen Umsatzeinbruch um 30 % erlitten. Die Beklagte hat entgegen der Verfügung vom 29.12.2020 (Bl. 31 d.A.) nicht vorgetragen, welche Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie (etwa anderweitige Angebote zur Erzielung von Umsätzen) sie getroffen hat. In der mündlichen Verhandlung wurde lediglich erklärt, die Beklagte betreibe einen Online-Shop (was unstreitig und auch allgemein bekannt ist) und sei insofern an ihre logistischen Kapazitätsgrenzen gestoßen. Für den Monat April 2020 ist daher nicht vollständig vorgetragen, in welchem Umfang ein Umsatzrückgang eingetreten ist. Ein Umsatzrückgang von 100 % lässt sich nicht zugrunde legen, da diejenigen über den Online-Shop erzielten Umsätze zu berücksichtigen sind, die aus der erzwungenen Schließung des Kaufhauses resultieren. Da ein Sachverständiger für eine Einschätzung Angaben zu den konkreten Kunden benötigt (insb. Wohnort, Entscheidung zum Ausweichen vom hier streitgegenständlichen Kaufhaus auf den Online-Shop) und insoweit datenschutzrechtliche Grenzen bestehen bzw. eine Umfrage mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre, ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens mangels mit verhältnismäßigem Aufwand gegebener Erreichbarkeit dieser weiteren Anknüpfungstatsachen nicht veranlasst (§ 287 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 ZPO). Dementsprechend ist eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO auf Basis der vorhandenen Anknüpfungstatsachen erforderlich und zulässig (vgl. für einen allgemeinen Überblick zu § 287 ZPO jüngst Arz, NJW 2021, 355).

Nach den Angaben der Beklagten wird der Umsatzrückgang im April 2020 zwischen 30 % und 100 % gelegen haben. Der Einzelrichter geht von einem Umsatzrückgang um 80 % aus; es erscheint angemessen, dass ein Fünftel des Umsatzes durch den Online-Shop aufgefangen werden kann, wenn sich die Nachfrage der – aufgrund der Schließung zum Ausweichen gezwungenen – Kunden auf diesen verlagert. Hierfür spricht, dass sich bereits aus dem Vortrag der Beklagten ein Zuwachs der Online-Nachfrage ergibt, denn sie trägt vor, sie sei an logistische Kapazitätsgrenzen gestoßen. Aus allgemein zugänglichen Statistiken (namentlich www.e-commerce-magazin.de) geht hervor, dass der Online-Handel in der Kategorie Bekleidung im 2. Quartal einen Zuwachs um 15,3 % verzeichnet hat (vgl. zur Zulässigkeit der Verwertung: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.12.2013 – 3 W 147/13, BeckRS 2014, 13307). Berücksichtigt man auch noch die Bekanntheit der Firma der Beklagten, erscheint der Ansatz von 20 % als angemessen. Die Risikoverteilung ist daher für den Monat April im Umfang von weiteren 20 % ausgeschlossen und hat sich nunmehr auf 70 % der Monatsmiete zu beschränken.

Der Einzelrichter ist unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10.05.2007 – III ZR 115/06 (BeckRS 2007, 9619) der Auffassung, dass es gegenüber der Beklagten eines Hinweises auf die Verwertung der Angaben auf www.e-commerce-magazin.de nicht bedurfte. Die Beklagte hat entgegen der Verfügung vom 29.12.2020 nicht zu Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie vorgetragen. Die Relevanz des Online-Shops war Thema in der mündlichen Verhandlung (vgl. S. 2 des Protokolls, Bl. 37 d.A.). Auch im Nachgang erfolgte trotz Gelegenheit zur Konkretisierung der Angaben in Bezug auf die hier in Rede stehende Filiale keine Ergänzung.

(c) Die Beklagte hat in den letzten drei Geschäftsjahren nach ihrem Vortrag einen Jahresüberschuss (nach Steuern) in Höhe von durchschnittlich rund ###
Euro erzielt (Durchschnitt aus #### Euro, #### Euro und minus #### Euro). Eine Konkretisierung des auf die hier in Rede stehende Filiale entfallenden Anteils ist nicht erfolgt. Auch sind keine Umstände vorgetragen worden, die eine Bildung von Rücklagen als unzumutbar erscheinen lassen. Aus den vorgelegten Unterlagen geht lediglich hervor, dass die Jahresergebnisse in den vorangegangenen drei Geschäftsjahren vollständig auf die Gesellschafterkonten verteilt worden sind. Es erscheint generell und auch auf Basis der Ergebnisse aus den vorangegangenen drei Geschäftsjahren jedenfalls zumutbar, für das hier streitgegenständliche Mietverhältnis die Bildung einer Rücklage in Höhe von einer Monatsmiete zu verlangen. Dabei ist auch die lange Dauer des Mietverhältnisses zu berücksichtigen.

(d) Die Beklagte hat für den Monat April 2020 nach ihrem Vortrag insgesamt Kurzarbeitergeld in Höhe von #### Mio. Euro erhalten. Welcher Anteil hiervon auf die Mitarbeiter des hier in Rede stehenden Kaufhauses entfiel, wurde nicht konkretisiert. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, dass sie durchschnittlich ### Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Inland beschäftige und die überwiegende Anzahl in deninsgesamt #### deutschen – Filiale beschäftigt sei (Bl. 54 d.A.).

Die Anrechnung rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass eine Risikoverteilung im Verhältnis zum Vertragspartner nur mit demjenigen Umfang als gerechtfertigt erscheint, in dem diejenige Partei, die sich auf das Recht zur Vertragsanpassung beruft, dieses Risiko tatsächlich zu tragen hat, d.h. nicht bereits anderweitig Kompensationsleistungen erhalten hat. Eine Norm, die die Anrechnung im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung des § 313 Abs. 1 BGB ausschließt, liegt nicht vor (Römermann, NJW 2021, 265, 268, Rn. 26, weist darauf hin, dass eine Norm, welche eine konkrete Anrechnung vorgesehen
hätte, fehlt). Die Anrechnung steht auch mit den Gesetzgebungsmaterialien im Einklang, wonach das Kurzarbeitergeld zu berücksichtigen ist (hBT-Drs. 19/25322, S. 21).

(aa) Zunächst ist allerdings die Frage zu beantworten, in welchem Umfang das Kurzarbeitergeld anzurechnen ist. Der Einzelrichter ist insoweit der Auffassung, dass eine Anrechnung in voller Höhe nicht gerechtfertigt ist, sondern nur zu demjenigen Anteil, der dem Quotienten aus Miete und Gesamtverbindlichkeiten entspricht. Andernfalls würde das Kurzarbeitergeld hier überproportional zu Lasten der Beklagten in Ansatz gebracht. Die Beklagte betreibt eine Vielzahl von Filialen und erhält das Kurzarbeitergeld für die Gesamtheit der (nach dem Vortrag der Beklagten) überwiegend in diesen Filialen beschäftigten Mitarbeiter.

Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ist abzulesen, dass sich die Gesamtverbindlichkeiten in den letzten drei Geschäftsjahren auf durchschnittlich ### Euro beliefen (Durchschnitt aus ### Euro, #### und ### Euro). Die Jahresmiete beträgt #### Euro (12x ### Euro). Multipliziert man den Anteil der Jahresmiete an den durchschnittlichen jährlichen Gesamtverbindlichkeiten mit dem Betrag des im April 2020 erhaltenen Kurzarbeitergeldes, ergibt sich ein Betrag in Höhe von ### Euro.

(bb) Bei der Anrechnung staatlicher Leistungen ist zudem festzulegen, bei welchem Rechenschritt diese zu berücksichtigen sind (Klimesch, IMR 2021, 47
weist darauf hin, dass die Anrechnung auf die Mietreduzierung in Betracht kommt, mit der Folge, dass sich die Mietreduktion um die erhaltenen staatlichen Leistungen verringert).

Hierzu folgende abstrakte Überlegung auf Basis folgender Umstände: die Miete beträgt ### Euro; es wird kein Umsatz erzielt; der Mieter erhält staatliche Hilfen in Höhe von ### Euro. Geht man von einer Quote 50:50 aus, so ergibt sich ja nach Anrechnungsweise ein unterschiedliches Ergebnis. Rechnet man die ### Euro auf die Miete (vor Quotelung) an, ergibt sich ein Minderungsbetrag in Höhe von ### Euro. Rechnet man die ### Euro erst nach Vornahme der Quotelung an, ergibt sich ein Minderungsbetrag in Höhe von ### Euro. Im letzteren Fall stünde der Vermieter also besser, denn die staatliche Unterstützungsleistung würde im Umfang der Anrechnung letztlich vollständig dem Vermieter zufließen.

Der Einzelrichter ist deshalb der Auffassung, dass Bezugspunkt der Vertragsanpassung allein derjenige Umfang der Miete sein muss, hinsichtlich dessen der Mieter vom im Ausgangspunkt hälftig zu tragenden Pandemierisiko nicht bereits durch sonstige Kompensationen entlastet worden ist. Damit ist gewährleistet, dass die staatliche Hilfe gemäß ihrem unmittelbaren Zweck – immerhin teilweise – vorrangig dem Mieter zugute kommt. Das Kurzarbeitergeld ist also vor der Quotelung vom verbleibenden Verteilungsbetrag abzuziehen.

(e) Nach alledem ergibt sich für den vorliegenden Einzelfall folgendes Ergebnis:

Den Gegenstand der Risikoverteilung bildet die Miete für den Monat April 2020 im Umfang von ### Euro (70 % von ### Euro). Hiervon ist der zu berücksichtigende Anteil des Kurzarbeitergelds in Abzug zu bringen ( ### Euro), so dass sich ein Betrag in Höhe von ### Euro (= 66,5 %) ergibt. Wurde oben die Bildung einer Rücklage in Höhe einer Monatsmiete als zumutbar angesehen, gilt dies für die Bildung einer Rücklage in Höhe von zwei Dritteln einer Monatsmiete erst recht. Für den Monat April 2020 kommt eine Vertragsanpassung daher nicht in Betracht. Die Anrechnung der Nebenkostenzahlung
war bereits im Klageantrag berücksichtigt.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Absatz 2 Nummer 1, 288 Absatz 1 BGB i.V.m. § 187 Absatz 1 BGB analog.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 Absatz 1, Satz 2 ZPO. Der Streitwert wurde nach § 3 ZPO festgesetzt.

IV.

Der seit 01.01.2021 geltende Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts München I enthält in Abschnitt F. Übergangsbestimmungen. Danach gilt der Übergang von Geschäftsaufgaben von einer Kammer auf eine andere Kammer erst für die Eingänge vom 01.01.2021 an. Eine Ausnahme hiervon („sofern nicht bei einer einzelnen Kammer etwas anderes bemerkt ist“) besteht nicht. Die seit 01.01.2021 bestehende Zuständigkeit der 34. Zivilkammer für Streitigkeiten aus Gewerberaummiete erstreckt sich daher nicht auf diesen Rechtsstreit.Rechtsbehelfsbelehrung:
…..

Verkündet am 12.02.2021