In einem Urteil vom 30.7.2020 (Aktenzeichen: 5 O 66/20) hat das Landgericht Heidelberg eine Mietminderung oder eine Anpassung des Mietvertrags wegen Filialschließung zurückgewiesen und der Klage eines Vermieters auf Mietzahlung des Gewerbemieters auch für Zeiträume, in denen das Verkaufsgeschäft aufgrund pandemiebedingter öffentlich-rechtlicher Beschränkungen nicht betrieben werden konnte, stattgegeben.
Im Mietvertrag war unter anderem geregelt, dass „bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Objekts“ dem Mieter ein Sonderkündigungsrecht mit einer Frist von 6 Monaten zum Monatsende zustehen sollte.
Keine Mietminderung wegen eines Mangels der Mietsache bei Filialschließung
Nach Auffassung des Gerichts lag ein Grund zur Minderung der Miete gemäß § 536 BGB nicht vor. Zwar könnten grundsätzlich auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen zu einem Mangel der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch führen. Voraussetzung sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt hätten und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (die Entscheidung verweist auf BGH, Urteil vom 2.3.1994 – XII ZR 175/92; BGH, Urteil vom 13.7.2011 – XII ZR 181/09). Die Mietsache selbst sei zu dem vereinbarten Zweck nach wie vor geeignet. Untersagt sei „lediglich“ der Betrieb und das unabhängig von der Beschaffenheit oder Lage der Mietobjekts. Dieser Umstand falle in den Risikobereich des Mieters.
Daran ändere der verschiedentlich vorgebrachte Hinweis auf Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Nutzungs- und Betätigungsverboten im Verlauf des Ersten Weltkriegs nicht, weil die Maßstäbe im Hinblick auf die Anbindung des Minderungsrechts an die Beschaffenheit und Lage des Mietobjekts zwischenzeitlich konkretisiert worden seien.
Keine Unmöglichkeit der Leistung des Vermieters bei Filialschließung
Es liege auch kein Fall der Unmöglichkeit der Vermieterleistung gemäß § 275, § 326 Absatz 1 BGB vor. Die Regelung in § 535 Absatz 1 Satz 2 BGB, nach der der Vermieter dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgegmäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen müsse, werde ergänzt durch die Regelung in § 537 Absatz 1 Satz 1 BGB, nach der die Mietzahlungspflicht nicht deshalb entfalle, weil der Mieter durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Ausübung seines Gebrauchsrechts gehindert würde. Es werde deutlich, dass der Vermieter nur eine Gebrauchsmöglichkeit verschaffen müsse. Nur wenn der Mieter die Mietsache nicht nutzen könne, weil sie selbst nicht nutzungstauglich sei, entfalle die Mietzahlungspflicht. Die Vermieterleistung erstrecke sich nicht auf die Nutzung der Mietsache, sondern nur auf deren Bereitstellung. Das Verwendungsrisiko liege beim Mieter.
Der Vermieter habe seine Leistungspflicht auch während der Zeit der pandemiebedingten Einschränkungen erfüllt, indem er die Mietsache bereitgestellt habe. Die Tatsache, dass sie in dieser Zeit nicht habe genutzt werden können, gehe nach der gesetzlichen Risikoverteilung zu Lasten des Mieters.
Wegfall der Geschäftsgrundlage durch Filialschließung nur bei Existenzgefährdung
Schließlich komme auch eine Vertragsanpassung nach § 313 Absatz 1 BGB wegen einer schwerwiegenden Veränderung der Vertragsgrundlage nicht in Betracht. Selbst wenn die Tatbestandsvoraussetzungen im Übrigen vorgelegen haben sollten, sei es dem Mieter unter den gegebenen Umständen jedenfalls zumutbar, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festzuhalten. Maßgeblich sei, inwieweit die eingetretene Änderung der Umstände üblicherweise in das Risiko einer Vertragspartei falle, wie nahe diese Vertragspartei der Veränderung stehe und in welchem Umfang es ihr möglich und zumutbar gewesen wäre, Vorsorge zu treffen oder sich im Rahmen der Schließung andere Einnahmequellen zu verschaffen. Das Risiko, mit dem Objekt Gewinne erwirtschaften zu können, liege im gewerblichen Mietverhältnis grundsätzlich beim Mieter. Diese Risikoverteilung schließe abgesehen von extremen Aunahmefällen, die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung dieses Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (Die Entscheidung verweist auf (BGH, Urteil vom 16.2.2000 – XII ZR 279/97). Ein hinreichendes Maß der Unzumutbarkeit sei letztlich nur dann erreicht, wenn der Mieter substantiiert darlegen könne, dass er in seiner Existenz gefährdet sei oder dass ein vergleichbar extreme Ausnahmesituation vorliege.
Das Gericht stützte seine Entscheidung auch darauf, dass die pandemiebedingte Filialschließung „nur 4 1/2 Wochen (26 Arbeitstage)“ angedauert habe. Im Hinblick auf die mietvertragliche Regelung, nach der beim Vorliegen anderer Störungsursachen (zum Beispiel Verkehrsbehinderungen), die auch zu schwerwiegenden Umsatzeinbußen führen könnten, eine 6-monatige Kündigungsfrist vereinbart sei, sei das Risiko der pandemiebedingten Schließung im streitgegenständlichen Rahmen vom Mieter zu tragen.
Die Auffassung des Landgerichts Heidelberg, dass der Mieter eine Existenzgefährdung nachweisen müsse, damit eine Anpassung des Mietvertrags in Betracht käme, wird in der Rechtsprechung wohl mehrheitlich nicht geteilt. Jedenfalls nach der gesetzgeberischen Klarstellung zum 1.1.2021 in Artikel 240 § 7 EGBG sollte von der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Fälle pandemiebedingter Fililalschließungen auszugehen sein.