Pandemiebedingte Nutzungseinschränkung als Grund für Mietminderung ?

In einem Urteil vom 22.9.2020 (Aktenzeichen: 3 O 4495/20) ging die 3. Zivilkammer des Landgerichts München entgegen anderslautender Gerichtsentscheidungen (zum Beispiel: LG München I, 31 O 11516/20; LG Heidelberg, 5 O 66/20) davon aus, dass die pandemiebedingte Nutzungseinschränkung eines gewerblichen Mietobjekts (Einzelhandel) aufgrund behördlicher Pandemiebekämpfungsmaßnahmen einen Mangel der Mietsache darstelle, der gemäß § 536 BGB zur Minderung der Miete berechtige.

Zur Begründung nahm das Gericht im Wesentlichen Bezug auf Entscheidungen des Reichsgerichts, die im Zusammenhang mit den Geschehnissen des Ersten Weltkrieges ergangen waren. In Fällen, denen der Betrieb einer Fabrik, eines Tanzlokals, eines Nachlokals beziehungsweise einer Badeanstalt kriegsbedingt untersagt oder stark eingeschränkt worden war, war das Reichsgericht jeweils von einem Mietminderungsrecht ausgegangen. Diese Sichtweise stimmt nicht vollständig mit der später vom Bundesgerichtshof vertretenenen Auffassung überein, nach der Mietminderungsanspruch nur dann vorliegen könne, wenn die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit ihre Ursache in der Beschaffenheit oder der Lage der Mietsache selbst habe.

Das Gericht ging bei seinen Überlegungen vom Begriff des zwischen den Parteien vereinbarten „Mietzwecks“, dem Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts, aus. Dieser Mietzweck könne wegen der aus öffentlich-rechtlichen Gründen erfolgten pandemiebedingte Nutzungseinschränkung nicht mehr erfüllt werden. Diese Risiken fielen nicht in den Bereich des Mieters. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien sich bei Abschluss des Mietvertrags keine Gedanken über Nutzungseinschränkungen in der Innnenstadt wegen seuchenrechtlicher Maßnahmen gemacht hätten.

Damit treffe die behördliche Einschränkung die vertragsgemäß vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit der Mietsache selbst, weil nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien gerade ein Ladengeschäft für hochwertige Möbel und Möbelassessiors in der Münchener Innenstadt habe betrieben werden sollen. An diesem Mietzweck müsse sich der Vermieter festhalten lassen.

Die Situation unterscheide sich grundlegend von der einer Gahttps://www.danielis-rechtsanwalt.de/bundesgerichtshof-urteil-vom-12-1-2022-xii-zr-8-21/ststätte im Fall eines behördlich angeordneten Rauchverbots, weil die Gastsätte – wenn auch unter Verzicht auf Tabakkonsum – weiterbetrieben werden könne. Maßnahmen wie ein Rauchverbot hätten ihren Ursprung letztlich im Arbeitsrecht und berührten nur in seltenen Fällen den Mietzweck.

Entgegen der dargestellen Ansicht der 3. Zivilkammer des Landgerichts München I geht die Mehrzahl der veröffentlichten Gerichtsentscheidungen davon aus, dass pandemiebedingten Einschränkungen des Betriebs einer Gewerbeimmobilie in der Regel eher kein Grund für eine Mietminderung darstellen und allenfalls eine Vertragsanpassung wegen einer schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage im Sinn von § 313 BGB unter Abwägung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Betracht komme.

Diese Auffassung wurde später vom Bundesgerichtshof in einem anderen Verfahren (Urteil vom 121.2022 – XII ZR 7/21) im Wesentlichen bestätigt.