Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.7.2011 – XII ZR 189/09 (Rauchverbot)

Leitsätze:

1. Das Rauchverbot in § 7 I Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz stellt keinen Mangel einer verpachteten Gaststätte dar.
2. Der Verpächter ist nicht verpflichtet, auf Verlangen des Pächters durch bauliche Maßnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieser einen gesetzlich vorgesehen Raucherbereich einrichten kann.
BGH, Urt. v. 13. 7. 2011 − XII ZR 189/09 (OLG Koblenz)

Zum Sachverhalt:

Die Kl. war Pächterin einer Gaststätte. Sie nimmt die Bekl. als Verpächterin wegen einer nach Vertragsabschluss durch das Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz (RhPfNRSG) eingetretenen Nutzungsbeschränkung der Gaststätte auf Schadensersatz wegen behaupteten Umsatzrückgangs in Anspruch. Die Gaststätte bestand aus zwei nicht voneinander getrennten Räumen. Nachdem besagtes Landesgesetz am 15. 2. 2008 in Kraft getreten war, durfte in der Gaststätte nicht mehr geraucht werden. Von der Kl. geforderte Umbaumaßnahmen zur Schaffung eines den landesrechtlichen Anforderungen entsprechenden Raucherbereichs wurden von der Bekl. abgelehnt.

LG Koblenz (Urt. v. 7. 4. 2009 – 10 O 296/08, BeckRS 2011, 21258) und OLG Koblenz (NJWRR 2010, 203 = NZM 2010, 83) haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

II. Das BerGer. hat zu Recht angenommen, dass der Kl. kein Schadensersatzanspruch nach §§ 581 Absatz 2, 536a Absatz 1 BGB zusteht, weil das durch das am 15. 2. 2008 in Kraft getretene Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz (GVBl 2007, 188) eingeführte Rauchverbot in Gaststätten nicht zu einem Mangel des Pachtgegenstands i. S. von §§ 581 Absatz 2, 536 Absatz 1 Satz 1 BGB geführt hat.

1. Unter einem Mangel i. S. von §§ 581 Absatz 2, 536 Absatz 1 Satz 1 BGB ist die für den Pächter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Pachtsache von dem vertraglich  geschuldeten zu verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Pachtsache als Mangel in Betracht kommen können (Senat, NJW 2006, 899 [900] = NZM 2006, 54; NJW 2000, 1714 [1715] = NZM 2000, 492). Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Pachtobjekts entgegenstehen, begründen nach der Rechtsprechung des BGH allerdings nur dann einen Sachmangel i. S. der §§ 536 ff. BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre Ursache haben (vgl. Senat, NJW 2009, 664 = NZM 2009, 124 Rdnr. 34 [Urteil vom 15.10.2008 – XII ZR 1/07] ; GE 2008, 120 = ZMR 2008, 274 = BeckRS 2007, 19678 [Urteil vom 24.10.2007 – XII ZR 24/06]; WM 1994, 1136 = ZMR 1994, 253 [254] = BeckRS 2009, 20713; NJW 1992, 3226; NJW-RR 1992, 267 = WM 1992, 583 [585]; BGH, NJW 1988, 2664). Ergeben sich auf Grund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Pachtverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel i. S. von §§ 581 Absatz 2, 536 Absatz 1 BGB begründen (vgl. Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, MietR, 10. Aufl., § 536 Rdnr. 63). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Pächters (Wolf/Eckert/Ball, Hdb. d. gewerbl. Miet-, Pacht- u. LeasingR, 10. Aufl., Rdnr. 200). Denn der Verpächter von Gewerberäumen ist gem. §§ 581 Absatz 2, 535 Absatz 1 Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den Pachtgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Pächter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Pachtsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter (vgl. Senat, NJW 2006, 899 [901] = NZM 2006, 54 [Urteil vom 21.9.2005 – XII ZR 66/03]; NJW-RR 2004, 1236 = NZM 2004, 618 [Urteil vom 26.5.2004 – XII ZR 149/02]; NJW-RR 2000, 1535 [1536] = NZM 2000, 1005 [Urteil vom 19.7.2000 – XII ZR 176/98]; NJW 2000, 1714 [1716] = NZM 2000, 492 [Versäumnisurteil vom 16.2.2000 – XII ZR 279/97], und NJW 2000, 354 = NZM 2000, 36 [40]). Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Pachtobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die  Gewinnerwartung des Pächters auf Grund eines nachträglich eintretenden Umstands nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Pächters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Pächters kommt.

2. Unter diesen Voraussetzungen führt das durch das Nichtraucherschutzgesetz  Rheinland-Pfalz eingeführte Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten nicht zu einem Mangel des Pachtgegenstands i. S. von §§ 581 Absatz 2, 536 Absatz 1 BGB.
a) Die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache, sondern knüpft an die betrieblichen Verhältnisse des Pächters an. Das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz unterstellt bestimmte Gebäude und Gebäudeteile einem Rauchverbot und stellt dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten, sondern auf die Nutzungsart der betroffenen Baulichkeiten ab. Zweck des Gesetzes ist der Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitlichen Belastungen durch das Passivrauchen (§ 1 I RhPfNRSG). Um diesen Schutz zu erreichen, ordnet das Gesetz für öffentliche Gebäude (§ 2 RhPfNRSG), Krankenhäuser und andere medizinische  Einrichtungen (§ 3 RhPfNRSG), Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe (§§ 4, 5 RhPfNRSG), Alten- und Pflegeheime (§ 6 RhPfNRSG) und für Gaststätten (§ 7 I RhPfNRSG) ein Rauchverbot für alle Personen an, die sich in diesen Einrichtungen aufhalten (vgl. § 1 II RhPfNRSG). Die baulichen Gegebenheiten der betroffenen Gebäude oder Gebäudeteile sind für die Geltung des gesetzlichen Rauchverbots unerheblich. Maßgeblich sind allein die Art der Nutzung der Gebäude und der Umstand, dass in den Einrichtungen Publikumsverkehr stattfindet. Das gesetzliche Rauchverbot bezieht sich folglich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Pächters, betrifft also nur dessen betriebliche Verhältnisse (vgl. Sternel, MietR aktuell, 4. Aufl., Rdnr. 264 a; Gerber/Eckert, Gewerbl. Miet- u. PachtR, 7. Aufl., Rdnr. 259; Paschke, NZM 2008, 265). Für die Betriebsbezogenheit der Gebrauchseinschränkung spricht zudem, dass sich das Verbot primär an die Personen richtet, die sich in den betroffenen Einrichtungen aufhalten (vgl. § 1 II RhPfNRSG) und der Betreiber der Einrichtung nur als mittelbarer Adressat des Verbots für dessen Umsetzung und Einhaltung verantwortlich ist (vgl. § 10 I 1 RhPfNRSG, so auch OLG München, NJW 2010, 1297 = NZM 2010, 201).

b) Bei dem Erlass des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz handelt es sich daher um eine Gesetzesänderung, die, vergleichbar einer nachträglichen Änderung der Sperrzeit (vgl. Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, § 536 Rdnr. 60), allein in das wirtschaftliche Risiko des Pächters fällt (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Rdnr. 200; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, § 535 Rdnr. 463; Lehr, in: Hannamann/Wiegner, Münchner Anwaltshdb. MietR, 3. Aufl., § 54 Rdnr. 73; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2010, § 536 Rdnr. 20; Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., § 536 Rdnr. 19; Grühn, in: jurisPK-BGB, 2010, § 581 Rdnr. 86).

3. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich ein Schadensersatzanspruch auch nicht daraus, dass die Bekl. der Aufforderung der Kl. nicht nachgekommen ist, die baulichen Voraussetzungen zu schaffen, um in der Gaststätte einen Raucherbereich einzurichten. Nach § 536a Absatz 1 Alt. 3 BGB kann der Mieter Schadensersatz verlangen, wenn der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug kommt. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.

a) Zwar kann nach § 7 II, III RhPfNRSG der Betreiber einer Gaststätte das Rauchen erlauben, wenn besondere im Gesetz genannte bauliche Gegebenheiten vorliegen. Erfüllen – wie im vorliegenden Fall – die von einem Gaststättenbetreiber gepachteten Räumlichkeiten diese Anforderungen nicht, ist jedoch der Verpächter grundsätzlich nicht verpflichtet, die für eine Ausnahme vom Rauchverbot erforderlichen baulichen Umbaumaßnahmen vorzunehmen.

b) Nach §§ 581 Absatz 2, 535 Absatz 1 Satz 2 BGB hat der Verpächter die Pachtsache während der Pachtzeit in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten. Im Rahmen dieser Verpflichtung muss der Verpächter sämtliche Maßnahmen vornehmen, die erforderlich sind, um dem Pächter den vertragsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen (Palandt/Weidenkaff, § 535 Rdnr. 36). Diese Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht kann dazu führen, dass ein Verpächter bei einer Änderung öffentlich-rechtlicher Vorschriften durch die Vornahme geeigneter baulicher Veränderungen des Pachtgegenstands einen Zustand schaffen muss, der dem Pächter den weiteren vertragsgemäßen Gebrauch der Pachtsache ermöglicht (vgl. etwa Senat, NJW-RR 1992, 267; BGH, NJW 1979, 2351). Allerdings ist auch im Rahmen der §§ 581 Absatz 2, 535 Absatz 1 Satz 2 BGB die gesetzliche Risikoverteilung zwischen Verpächter und Pächter zu berücksichtigen. Deshalb darf auf diesem Weg das Verwendungsrisiko des Pächters nicht auf den Verpächter abgewälzt werden. Handelt es sich bei der Gebrauchsbeschränkung um die Folge einer Gesetzesänderung, die – wie im vorliegenden Fall – an die betrieblichen Verhältnisse des Pächters anknüpft, ist der Verpächter für die aufgetretene Störung schon deshalb nicht verantwortlich, weil diese ihre Ursache dann nicht in dem Zustand oder der Beschaffenheit der Pachtsache hat (vgl. Senat, NJW-RR 1992, 267).

c) Da die Bekl. daher im Rahmen der ihr obliegenden Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht nicht verpflichtet war, bauliche Veränderungen an den gepachteten Räumlichkeiten vorzunehmen, um die durch das Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz eingetretene Nutzungsbeschränkung der Gaststätte der Kl. auszugleichen, steht der Kl. auch unter diesem Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch nicht zu.